Was ist Paarberatung?

Paarberatung wird auch Paartherapie, Partnerschaftsberatung oder Eheberatung genannt. Es gibt viele unterschiedliche Richtungen. Wir beschreiben hier, wie eine Paarberatung im pro familia Zentrum Mainz abläuft.

Bei jeder Paarberatung geht es um die Beziehung der Partner. Die Beziehung ist sozusagen der »Patient«, da die Partner sich in ihr nicht (mehr) wohlfühlen. Es geht in der Beratung um Kommunikationsprobleme, Dauerkonflikte, Streit und Verletzungen unter denen beide Partner leiden und die sie alleine nicht lösen können. Eine Verbesserung durch die Beratung bedeutet entweder, dass die Beziehung sich so entwickelt, dass sich beide darin wohl fühlen können, oder dass die Beziehung auf eine gute Weise beendet wird.

Es gibt in längeren Beziehungen typische Lebensübergänge, die gemeinsam bewältigt werden müssen und zu Krisen führen können: das erste Zusammenziehen, die Geburt des ersten Kindes, das Selbstständigwerden der Kinder, das »leere Nest«, der Beginn der Rente usw. Der Übergang von einer Phase in die nächste ist einerseits spannend, andererseits aber auch fast immer mit schmerzhaften Abschieden verknüpft und verursacht Ängste. Beide Partner müssen sich immer wieder weiterentwickeln. Die Wiederherstellung eines früheren Zustandes ist nicht möglich – auch wenn Paare sich das häufig wünschen. Es kann passieren, dass ein Partner den Übergang in die nächste Phase gut schafft, während es für die/den andere/n sehr schwierig ist oder sie/er einfach länger braucht. Dann haben sich beide auseinander entwickelt und müssen den Weg zueinander wieder finden, wenn sie nicht auseinander gehen wollen.

Paare neigen dazu, das Problem beim jeweils Anderen zu sehen und sie/ihn als Verursacher/in zu beschreiben: z.B.: "Wenn Du ordentlicher wärst, müsste ich nicht soviel meckern!" oder „Wenn Du mehr Lust auf Sex hättest, wäre ich auch besser gelaunt!"

In der Paarberatung gehen wir davon aus, dass bei den meisten Problemen beide zu ihrer Entstehung beitragen. Es gilt herauszufinden, wie beide Partner zusammenwirken, damit etwas zum Problem wird, wie beide an der Entstehung des Problems beteiligt sind.

Die Weiterentwicklung des Paares, Verringerung von Verletzungen und Neubeginn sind häufig die Ziele, die die Partner sich für die Beratung setzen und die von den Berater·innen unterstützt werden.

Beide Partner sollten eine deutliche Bereitschaft zur Veränderung haben, da eine Paarberatung nur dann hilfreich sein kann. Eine Alternative könnten Einzelberatungen für eine/n oder beide sein.

Was dürfen Sie von den Paarberater·innen erwarten?

Unsere Paarberater und -beraterinnen haben Pädagogik oder Psychologie studiert und therapeutische Zusatzqualifikationen in der Paar- und Sexualtherapie. Sie nehmen regelmäßig an Supervision und Fortbildungen teil.

Die Berater·innen sind unparteiisch und geben in der Regel keine Ratschläge, weil das, was sich bei anderen bewährt hat, im Einzelfall oft nicht passend ist. Trotz ihrer Unparteilichkeit müssen Berater·innen manchmal auch Stellung beziehen, wenn z.B. Kinder durch das Verhalten eines Paares stark in Mitleidenschaft gezogen sind oder bei Gewalt.

In der Beratung geht es auch um die Beziehung zur Beraterin/zum Berater. Beide Partner sollten überprüfen, ob sie sich bei dieser Beraterin/diesem Berater gut aufgehoben fühlen.

Wie lange dauert die Beratung?

Die Beratung besteht in der Regel aus einer Reihe von Gesprächen = Sitzungen zu dritt. Die Dauer der Sitzungen beträgt 60 oder 90 Minuten in einem Rhythmus von einmal pro Woche bis zu einmal pro Monat. Da in der Beratung Prozesse angestoßen werden – z.B. um bestimmte Verhaltensweisen zu ändern –, kann die Beratung auch eine längere Zeit dauern. Dabei ist die Gesamtdauer einer Paarberatung sehr unterschiedlich: manchmal reicht ein klärendes Gespräch, die meisten dauern 5 bis 20 Sitzungen, manche auch länger, bis das gewünschte Ziel erreicht ist. Im Vorhinein ist das nicht genau festlegbar.

Was geschieht in den Sitzungen?

Eine Paarberatung funktioniert leider nicht so, dass das Paar sein Problem schildert und die Beraterin/der Berater dann die passende Lösung, etwa in Form von Ratschlägen gibt. Denn Ratschläge passen im Einzelfall meistens nicht. Zum anderen sind die Partner oft unterschiedlicher Meinung darüber, was das Problem ist oder wer es verursacht hat.

In den Sitzungen geht es vor allem darum, dass das Paar sich unter Anleitung und mit Unterstützung der Beraterin/des Beraters auf einen gemeinsamen Suchprozess einlässt, um das Problem genauer zu fassen und dann für sie passende Lösungsschritte zu erarbeiten und auszuprobieren.

Verlauf einer Paarberatung

1. Das Erstgespräch

Im Erstgespräch sollte ein Gesamtbild der Problemlage deutlich werden. Durch gezielte Fragen der Beraterin/des Beraters schaffen die Partner es, das Problem als ein Paarproblem und nicht als das Problem eines einzeln zu sehen. Im Erstgespräch bekommt das Paar eine Vorstellung davon, wie die Beraterin/der Berater arbeitet und welches Ziel in der Beratung angesteuert wird.

Außerdem werden zwischen dem Paar und der Beraterin/dem Berater die formalen Punkte wie Kosten, Dauer, Häufigkeit und Absagebedingungen der Sitzungen vereinbart.

2. Blick auf die Jetzt-Situation

In dieser Phase wird der Blick auf die Gegenwart des Paares gerichtet: Wie ist die Kommunikationskultur? Wie organisiert das Paar sein Zusammenleben? Wie gehen sie mit Streitsituationen um?

Oft sind Schieflagen zwischen Geben und Nehmen, Autonomie und Nähe oder Bestimmen und Anpassen der Grund dafür, dass eine Beziehung aus dem Gleichgewicht geraten ist. Einer oder beide Partner fühlen sich nicht wohl und es entwickeln sich hartnäckige Streitmuster. In der Beratung können diese Muster erkannt werden und nach alternativen Verhaltensweisen gesucht, die dann im Alltag erprobt werden müssen. So kann das Gleichgewicht in der Beziehung wieder hergestellt werden und das Paar sein Zusammenleben neu organisieren.

In dieser Phase der Beratung geht es auch darum, über Verletzungen aus der Paargeschichte zu sprechen. Sind Verletzungen klar benannt, hat der/die Verletzte die Einschätzung, dass der Partner die Verletzungen anerkennt und nicht abstreitet? Wenn dem Paar mit Unterstützung der Beraterin/des Beraters dieser Schritt gelingt, kann eine Entschuldigung und das Annehmen der Entschuldigung für das Paar ein heilsamer Prozess sein.

3. Blick in die Vergangenheit: Lebensthemen aus der Herkunftsfamilie

In der Phase der Neuorientierung des Paares, werden meist auch Themen aus der Vergangenheit wieder lebendig. Es zeigt sich häufig, dass genau das, was die Partner zu Beginn der Beziehung am stärksten angezogen und fasziniert hat, sie heute am meisten aneinander nervt und ärgert. Sich dies genauer zu betrachten hat zwei wichtige Gründe: zum einen kann es für das Paar den Anfang der Beziehung wieder lebendig werden lassen, denn das Positive von damals ist nicht weg, sondern von Enttäuschungen überdeckt. Sich daran zu erinnern, stellt ein Gegengewicht zu den zurzeit vorherrschenden negativen Gefühlen und Erfahrungen dar. Zum anderen wird deutlich, dass unterschiedliche Verhaltensweisen ihren Ursprung in der Kindheit haben und die Partnerin/der Partner oft gar nicht »gemeint« ist, sondern etwas abbekommt, was man im Laufe seines Lebens so gelernt hat. Wenn man sich dies in der Beratung näher anschaut, kann die Partnerin/der Partner mehr Verständnis entwickeln und der Betroffene versuchen, Verhaltensweisen zu verändern, die früher im Leben einmal passend waren, jetzt aber nicht mehr förderlich sind.

Wie Paare ihr Zusammenleben gestalten, hat viel damit zu tun, was sie als Kinder in ihren Herkunftsfamilien erlebt haben, z.B.: Wie habe ich als Mädchen oder Junge in meiner Herkunftsfamilie erlebt, wie die Frau oder der Mann mit Konflikten umgeht? Wie wurden Geben und Nehmen, Bestimmen und Anpassen usw. gelebt? Was hatte das für Auswirkungen auf mich als Kind? Wohin habe ich mich entwickelt?

In diesen Fragen zeigen sich Lebensthemen der Partner. Damit ist gemeint, dass Menschen oft (unbewusst) versuchen, das in späteren Beziehungen zu erledigen, was sie als Kinder und Jugendliche nicht befriedigend für sich haben regeln können. Wenn den Partnern dieser Zusammenhang deutlich wird, geschieht in der Beratung ein wichtiger Schritt: Jeder der beiden gibt dem anderen intime Einblicke in seine/ihre Lebensgeschichte (ein großer Vertrauensbeweis) und für die Partner erklärt sich manche extreme Verhaltensweise der/des anderen. Aus Unverständnis kann so Mitgefühl werden, was eine gute Voraussetzung ist, um nach Auswegen aus festgefahrenen Mustern zu suchen. Der Schweizer Paartherapeut Jürg Willi sagt: „In Beziehungsproblemen zeigt sich, wo jeder von uns Entwicklungsbedarf hat.“ Die Partner bekommen so erst einmal für sich selbst die Chance zu einer Weiterentwicklung und dann ist es Aufgaben des Paares dieses Neue in die Partnerschaft einzubeziehen.

Es kann sich während des Beratungsprozesses auch herausstellen, dass Trennung der sinnvollere Schritt für ein Paar ist. Eine Trennung des Paares ist kein Misserfolg, sondern ein ebenso mutiger Schritt für einen Neubeginn. Zum Beispiel können Partner in der Beratung ihre Fähigkeiten, Beziehung zu leben und zu gestalten (wieder) erfahren und gleichzeitig, dass gerade sie beide in der aktuellen Partnerschaft sich gegenseitig für eine Weiterentwicklung blockieren. Dann würde eine Trennung jedem die Chance für Entwicklung lassen und für dieses Paar die Lösung sein. Die Aufgabe der Berater·innen ist es dabei, eine faire Trennung zu unterstützen und Hilfestellungen anbieten, z.B. bestimmte Abschieds- und Trennungsrituale oder die Vermittlung in eine Mediation, wenn es um Regelungen bezüglich der Kinder und der Finanzen geht, damit es eine Trennung ohne Verlierer/in geben kann.

4. Blick in die Zukunft, Abschluss der Paarberatung

Eine Paarberatung ist nicht dann erfolgreich abgeschlossen, wenn alle Probleme ausgeräumt sind. Der Paartherapeuten Hans Jellouschek beschreibt gut den Abschluss einer Beratung mit einem Bild:

„Eine Paartherapie hat nicht das Ziel, alles bis zum Letzten durchzuarbeiten. Vielmehr ist es wie mit einem Fluss, dessen Strömen ins Stocken geraten ist, weil Äste oder Steine das Flussbett blockieren. Die Aufgabe des Paartherapeuten ist es, so viele Steine und Äste entfernen zu helfen, dass das Wasser wieder ins Strömen gerät, auch wenn noch nicht alles so geregelt ist, dass es keine Turbulenzen und Stockungen mehr gäbe. Sollte sich nach einiger Zeit das Wasser wieder stauen, ist es an der Zeit, sich weitere Hilfe zu holen.“

Beispiel für ein Beziehungsproblem: Fremd gehen

Ein Paar, Anfang 30, kommt in die Paarberatung, weil der Mann fremd gegangen ist. Sie haben eine dreijährige Tochter und einen einjährigen Sohn. Seit der Geburt des ersten Kindes ist die Frau in Elternzeit. Der Mann arbeitet sehr viel, um das fehlende Gehalt auszugleichen. Außerdem möchte er Karriere machen, um seiner Familie jetzt und in Zukunft etwas bieten zu können. Seine Frau versorgt den ganzen Tag allein die Kinder und den Haushalt und möchte abends davon entlastet werden. Sie freut sich darauf, ihrem Mann von ihrem Tag und ihren Erlebnissen mit den Kindern zu berichten. Wenn der Mann nach der Arbeit nach Hause kommt, möchte er jedoch erst einmal entspannen, statt schon an der Haustür von Frau und Kindern „überfallen“ zu werden. Mit der Zeit ist die Frau sehr enttäuscht, dass der Mann ihre Leistung für die Familie nicht wertschätzt und so wenig auf ihre Wünsche eingeht. Der Mann versteht nicht, dass seine Frau immer unzufriedener wird, wo er doch so viel für die Familie und ihre finanzielle Absicherung arbeitet und am Wochenende auch noch im Haushalt mithilft. Beide fühlen sich vom anderen nicht anerkannt, erleben keinen Respekt für ihre Leistung, fühlen sich nicht gesehen und verstanden und sind sehr enttäuscht vom anderen. Die Frau hat in dieser Situation keine Lust mehr, mit ihrem Mann zu schlafen. Es gibt immer öfter Streit, der immer schlimmer und verletzender wird. Die Situation spitzt sich zu, als herauskommt, dass der Mann eine Affäre mit einer Kollegin hat.

Als das Paar in die Beratung kommt, scheint der Mann vor allem schuld an der Beziehungskrise zu sein. Denn er hat seine Frau betrogen, was diese sehr verletzt hat. Beim genaueren Verstehen der Situation zeigt sich aber, dass beide zu den Problemen sexuelle Unlust und Untreue und damit zur Krise ihrer Beziehung beigetragen haben.

Die Aufgabe der Beratung in diesem Beispiel ist es, dem Paar zu ermöglichen, zu sehen, dass die aufgetretenen Probleme (sexuelle Unlust und Außenbeziehung) bereits Lösungsversuche sind. Sicher sind diese Lösungen keine »guten« Lösungen. Sie zeigen allerdings, worum es eigentlich geht: Anerkennung, Wertschätzung, ein gute Gesamtbilanz der Beziehung – was beide schon seit längerer Zeit nicht mehr erleben.

Wenn es dem Paar gelingt, die beiderseitige Beteiligung am Problem zu erkennen, und wenn die Gräben der Enttäuschung nicht zu tief und die Verletzungen nicht zu schwerwiegend sind, kann mit Hilfe der Beratung nach Lösungen für die Ursachen des Problems geforscht und Veränderungen ausprobiert werden. Im günstigsten Fall wird die Beziehung dann für beide befriedigender werden als vor der Krise.